Nach vier Jahren Lähmung: Bergfürst vollführt Kehrtwende

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Es gibt nur wenige Crowdinvesting-Plattformen, die bereits seit Jahren am Markt sind und nicht so recht funktionieren. Die meisten Anbieter hätten und haben schon längst die Segel gestrichen, doch nicht Bergfürst. Kaum ein Unternehmen schafft es, derart präsent in den Medien über lange Zeiträume immer wieder Geschichten zu erzählen, ohne dabei Erfolge aufweisen zu können. Nun ist der Finanz-Anbieter – der diesen Monat seine Banklinzenz zurückgab – dort zurück, wo er 2012 bewusst nicht gestartet ist: Beim Crowdinvesting. Folgen diesmal der Ankündigung auch Taten? Ein Rückblick auf die letzten Jahre:

2011

  • Es begann mit einem Pornofilm, den Gründer und CEO Guido Sandler nach eigenen Angaben nie gesehen hat. Richtig muss es natürlich heißen: Es begann bei der Fachlektüre des Handelsblatts im ICE von Berlin nach Hamburg. Der Artikel handelte vom Crowdfunding des Pornofilms „Hotel Desire“ und brachte den Finanzfachmann auf die Idee einer eigenen Crowdinvesting-Plattform. Mit Dennis Bemmann als CTO holte er sich einen erfahrenen Gründer und Business Angel an Bord. Sie gründeten gemeinsam die e-crowd Finance AG, die später zur Bergfürst AG wird.

2012

  • Noch im Mai sah die Crowdinvesting-Landschaft in Deutschland sehr eintönig aus. Bergfürst wollte als erstes Crowdinvesting-Portal den Sekundärmarkt, den Handel mit Unternehmensanteilen, erschließen. Hierfür hatten die Gründer sich Eigenkapital in Form von Aktien als rechtliches Vehikel ausgesucht und extra eine BaFin-Lizenz beantragt.  Als „kostspielig und Aufwändig“ bezeichnete Bemmann das im Unternehmensblog. Für Q4/2012 wurden die ersten Emissionen angekündigt. Volumen von bis zu 3 Millionen Euro sollen abgewickelt werden, also Wachstums- statt Frühphasenfinanzierung. 10 Unternehmen wolle man bis Jahresende abwickeln, hieß es.
  • Bereits im Juni startet devexo als erste BaFin-regulierte Crowdinvesting-Plattform Deutschlands. Die Plattform ist kurzlebig und das Modell konzeptionell weit von Bergfürst entfernt. Bergfürst wird aber nicht mehr die erste BaFin geprüfte Plattform sein.
  • Im Oktober erhält Bergfürst die lang ersehnte BaFin Lizenz, sie mit allerlei Auflagen verbunden ist. Bis Ende des Jahres wird eine erste Emission angekündigt. Ende des Jahres wird die Emission für Q1/2013 angekündigt.

2013

  • Nach monatelanger Verzögerung wird im Juni mit Urbanara der erste Emittent angekündigt. Die Anleger müssen sich jedoch noch bis zum September gedulden, bevor die erste Emission startet. Jetzt geht’s los hatte Bergfürst nach Erhalt der BaFin-Lizenz verkündet, tatsächlich ging es aber erst rund ein Jahr später los. Bergfürst und Urbanara erreichen das angepeilte Investitionsvolumen von mindestens 2,99  Mio EUR dann auch erst in der Verlängerung. Das angepeilte Maximum von 3,74 Mio Euro ist weit entfernt.
  • Trotzdem eine Erfolgsmeldung: Die Berliner Volksbank und ein Immobilien-Experte beteiligen sich an der Bergfürst AG.
  • Im November eröffnet der Sekundärmarkt. Seither liegt der Handelskurs der Urbanara-Aktie konsequent unter dem Ausgabewert. Laut Plattform-Angaben wird jedoch rege gehandelt. Am Kurs sieht man das kaum. Im schlechtesten Monat September 2014 ist der Kurs um 32 Prozent vom Ausgabepreis eingebrochen.

2014

  • März: Mit den Worten „Demnächst auf Bergfürst“ wird das erste Immobilieninvestment angekündigt. So einmalig wie zum Ankündigungszeitpunkt ist das Immobilieninvestment dann jedoch nicht. Es gibt bereits mehrere Plattformen wie z.B. Kapitalfreunde, auf denen man in Immobilien investieren kann und auch die Konkurrenz schläft nicht. Companisto kommt Bergfürst einfach zuvor. Sehr schwer war das nicht, denn erneut gehen vier Monate ins Land bevor das Investment erneut angekündigt wird. Für September/Oktober.
  • Bergfürst erwirbt eine Banklizenz und erfindet das Wort „Neo-Investing“ als Buzzword, um genau das weiter zu machen, was man bisher schon tat. In mehreren Interviews und auf Konferenzen verabschiedet sich Guido Sandler ein für alle Mal vom Crowdinvesting. Die Börsenzeitung hat die Faxen dicke und schreibt über das Unternehmen mittlerweile sogar „Bergfürst baut Luftschlösser“.
  • Der Bergfürst Crowdfunding-Rekord von rund 3 Mio Euro wird von den Platzhirschen Seedmatch und Companisto mehrfach gebrochen.
  • Mit nochmaliger Verspätung startet im November 2014 das erste Immobilieninvestment auf Bergfürst.

2015

  • Mai: Bergfürst kündigt an, sich bald auch für Unternehmen und Immobilien unter 1,5 Mio EUR Finanzierungsbedarf öffnen zu wollen. Mit 100.000 EUR Mindestvolumen und dem partiarischen Nachrangdarlehen als Rechtsform stellt die Plattform sich nun mit allen anderen Crowdinvesting-Plattformen gleich.
  • Juni: Bergfürst gibt seine Vollbank-Lizenz zurück. Gegenüber Gründerszene gibt Guido Sandler an, schon sehr bald „Neuigkeiten verkünden“ zu wollen.

Es ist wirklich schade und ärgerlich, zuzusehen, wie die einst sehr vielversprechend gestartete Plattform Bergfürst über all die Jahre zur reinen Ankündigungsplattform verkommen ist. Ich weiß nicht, ob ich das Kommunikationskonzept von Bergfürst nun als erfolgreich (aufgrund der prominenten Gesellschafter wird regelmäßig die aktuellste Ankündigung in den Medien berichtet) ansehen oder als desaströs bedauern soll. In jedem Fall ist es unnachgiebig und hartnäckig.

Aus den zu Beginn angekündigten 10 Emissionen bis Jahresende 2012 wurden 2 Emissionen in vier Jahren und je nach Zählweise vier bis fünf strategische Neuausrichtungen.

Das Team, das Konzept und die Technologie sind dabei durchaus vielversprechend und hätte Bergfürst sich nicht all die Jahre selbst gelähmt, könnte es heute tatsächlich führend sein im Crowdinvesting. Jeder auf Effizienz und Produktivität getrimmte Inkubator oder Company Builder hätte wohl schon lange die Reißleine gezogen. Sandler aber gibt sich als Stehaufmännchen und gibt nicht auf. Ich glaube, ein wenig Erfolg sollte man ihm und seinem Team gönnen. Vielleicht hilft da ja die Trennung von der BaFin.

*Update* Nur einen Tag nach diesem Beitrag kündigt Bergfürst seine dritte Emission an. *Update*